Materialübersicht

Hält Klebeband
auf jedem Material?

Auf welchem Untergrund soll es denn halten?

Wenn Verklebungen im industriellen Umfeld scheitern, liegt die Ursache in den wenigsten Fällen am Klebeband selbst. In der Praxis versagt viel häufiger der Untergrund — weil er nicht verstanden, nicht bewertet oder nicht vorbereitet wurde. Der Gedanke „gutes Klebeband = sichere Haftung“ ist also zu kurz gegriffen. Entscheidend ist, was verklebt werden soll — nicht nur womit.

Genau hier beginnt der Denkfehler vieler Projekte:
Es wird nach dem „richtigen Klebeband“ gesucht, bevor der Untergrund klassifiziert wurde. Ohne diese Bewertung ist jede Materialentscheidung ein Blindflug — mit Risiken für Ausschuss, Reklamationen und Prozesskosten.

Warum sich Materialien so unterschiedlich kleben lassen

Dass sich einige Substrate problemlos kleben lassen und andere
nahezu gar nicht, ist kein Zufall, sondern physikalisch begründet.
Klebstoffe benötigen eine benetzbare Oberfläche, um flächig
Kontakt aufzubauen. Ob das gelingt, hängt stark von der Oberflächenenergie des Materials ab.

Die Verklebbarkeit ist keine Materialeigenschaft des Klebers,
sondern ein Zusammenspiel aus Klebstoffsystem und Untergrundenergie.

 

 

 

Substrate von A bis Z

Material Klebbarkeit
       
  Ja* Nein**
Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) x  
Aluminium x  
Beton   x
Carbon x  
Edelstahl x  
Faserverbundwerkstoffe x  
Filz x  
Fugenabdichtungen   x
Gipskartonplatten   x
Glas x  
Glasfaserverstärten Kunststoff (GFK) x  
Gummi x  
Holz   x
Kabel   x
Keramik x  
Kunstleder x  
Kunststoffe x  
Kupfer x  
Lackiertes Material x  
Leder x  
Messing x  
Metall x  
Mineralwolle   x
Moosgummi x  
Papier/Pappe x  
PET x  
Plexiglas x  
Plymethylmetacylat (PMMA) x  
Polyamid (PA) x  
Polycarbonat x  
Polyoxymethylen (POM) x  
Polystyrol (PS) x  
Porzellan   x
PP (Polypropylen) / PE (Polyethylen) x  
PTFE (Polytetrafluorethylen)   x
Styrol-Acrylnitril (SAN)   x
Schaumstoff x  
Schraubensicherung x  
Stahl x  
Silikon x  
Stein   x
Structural-Glazing   x
Styropor x  
Textilien   x
Ton   x
Zink x  

 

 

 

  • Metalle, Glas, Keramik:
    typischerweise hohe Oberflächenenergie
    -> Klebbar mit Standard-Klebern / Standard-Tapes

  • Gummi, Schäume, lackierte Oberflächen:
    mittlere Komplexität
    -> klebbar, aber sensibel gegenüber Prozessschwankungen

  • PE, PP, POM, PTFE, Silikon:
    häufig niedrige Oberflächenenergie (< 30–35 mN/m)
    -> ohne Vorbehandlung / speziellen Aufbau nicht sicher klebbar

 

 

 

Übersetzung der Tabelle

Verständnis zur Entscheidungsfindung

Eine reine Ja/Nein-Information zur Klebbarkeit beantwortet
formal die Frage: „Ist dieses Material grundsätzlich klebbar oder nicht?“ — aber sie beantwortet nicht, wie klebbar oder unter welchen Bedingungen.

Die korrekte Interpretation lautet daher:

Tabellenwert Bedeutung in der Praxis

*klebbar

 

Material lässt sich mit Klebstoff/Klebeband zuverlässig fügen — ohne übermäßige Zusatzschritte
 
**nicht ohne
weitere Maßnahmen
klebbar
Haftung ist ohne Anpassung riskant: Oberflächenbehandlung, Primer oder alternatives Konzept erforderlich

 

Diese Differenzierung ist entscheidend — nicht für das Labor, sondern für wirtschaftliche Entscheidungen. Denn:

  • Wird ein „schwieriger“ Untergrund als „klebbar“ behandelt, entstehen massive Folgekosten

  • Wird ein „klebbarer“ Untergrund unnötig überbehandelt, entstehen überflüssige Prozesskosten

Ein belastbarer Klebprozess ist also nicht nur eine Frage technischer Machbarkeit, sondern immer auch eine Kostenentscheidung.

 

Wirtschaftliche Relevanz

In Entwicklungsprojekten wird häufig viel Zeit auf die Auswahl des Klebstoffs verwendet – während der Untergrund unverändert bleibt. Dieser Fokus ist strategisch falsch und verursacht versteckte Kosten
an drei Stellen
:

Nacharbeit & Reklamation = Machbarkeit
Fehlhaft verklebte Bauteile müssen nachgearbeitet oder ersetzt
werden — oft erst spät im Prozess sichtbar.

Prozessunsicherheit als Risikofaktor
Eine Verklebung, die nur „unter guten Umständen“ hält, ist
in der Serie ein Kostenrisiko.

Fehlentscheidungen im Materialkauf
Wenn Serienwerkstoffe gewählt werden, ohne deren
Klebbarkeit zu prüfen, sind später teure Änderungen
unvermeidlich.

 

Die technisch korrekte Reihenfolge lautet daher nicht:
„Welcher Klebstoff passt zu meinem Bauteil?“ sondern: 

1. Zuerst Untergrund klassifizieren

2. Klebstoffsystem auswählen

3. Prozess definieren.

Diese Reihenfolge minimiert Projektlaufzeiten, Validierungsschleifen
und Qualitätsschwankungen.

Die Materialklasse

Welche Konsequenzen hat sie für den Klebprozess?

Die Einteilung in „klebbar“ und „ohne weitere Maßnahmen nicht
klebbar“ ist nicht nur eine semantische Kategorie – sie entscheidet,
ob ein Prozess stabil betrieben werden kann oder nicht.

Materialien, die als „klebbar“ gelten 
profitieren in der Regel von der reinen Kombination aus

  • geeigneter Klebstofftechnologie
    (z. B. Acrylat, Kautschuk, Silikon je nach Anwendung)

  • sauberer, fettfreier Oberfläche

  • definiertem Andruck

Mehr ist nicht erforderlich. Fehler entstehen hier eher durch Prozessdisziplin (z. B. Montage bei zu niedriger Temperatur,
fehlender Andruck, verschmutzte Teile) als durch das Material selbst.

Materialien, die ohne Maßnahmen nicht klebbar sind

Bei diesen Substraten ist nicht die Wahl des Klebstoffes das Hauptproblem, sondern die Oberflächenphysik. Ohne zusätzliche Schritte wie:

  • Oberflächenaktivierung (Corona, Plasma, Flamme)

  • Primer / Haftvermittler

  • mechanische Aufrauung

  • Silikonentferner / Entschichtung

wird keine prozesssichere Haftung erreicht.
Ein reines „besseres Band“ löst das Problem in diesen Fällen nicht.

Fazit

Die Frage „Welcher Kleber hält?“ ist nur die halbe Wahrheit

Die Ausgangsfrage – „Welcher Kleber hält auf welchem Material?“ – führt nur dann zu einer richtigen Antwort, wenn sie in zwei Teile zerlegt wird:

1. Ist das Material überhaupt klebbar oder nur unter Bedingungen?

2. Welches Klebstoff-/Tape-System passt zu dieser Klasse?

Wer Schritt 1 überspringt, entscheidet blind.
Wer Schritt 1 beherrscht, reduziert Ausschuss, Validierungsaufwände und Reklamationen – bevor sie entstehen.

Die korrekte Reihenfolge lautet deshalb nicht:
„Wir brauchen ein besseres Band.“

sondern:

„Wir müssen zuerst verstehen, auf oder gegen welche Oberfläche wir kleben.“

Die Klebbarkeit des Substrats ist nicht ein Detailpunkt im Prozess — sie ist der Rahmen, in dem der Prozess überhaupt erst planbar, sicher und wirtschaftlich wird.

Sie haben aktuell ein Projekt in Planung und möchten auf Expertiese und Erfahrung setzen?
Dann nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf und wir unterstützen Sie im gesamten Planungsprozess.

Der Prozess steht schon? – Auch kein Problem!
Wir begleiten auch gerne bestehende Projekte und bringen uns als Parter und Problemlöser ein!

 

 

 

 

 

zurück zur Übersicht

Vanessa Becker

Haben Sie Fragen zu weiteren Themen oder möchten Sie gern mehr über bestimmte Anwendungen erfahren? Dann schreiben Sie mir gern.

 

Ich freue mich über Ihre Anregungen für unseren Blog!

vbe@innotape.de