Wenn Verklebungen im industriellen Umfeld scheitern, liegt die Ursache in den wenigsten Fällen am Klebeband selbst. In der Praxis versagt viel häufiger der Untergrund — weil er nicht verstanden, nicht bewertet oder nicht vorbereitet wurde. Der Gedanke „gutes Klebeband = sichere Haftung“ ist also zu kurz gegriffen. Entscheidend ist, was verklebt werden soll — nicht nur womit.
Genau hier beginnt der Denkfehler vieler Projekte:
Es wird nach dem „richtigen Klebeband“ gesucht, bevor der Untergrund klassifiziert wurde. Ohne diese Bewertung ist jede Materialentscheidung ein Blindflug — mit Risiken für Ausschuss, Reklamationen und Prozesskosten.
Wenn sich ein Material mittels Klebeband oder Klebebandformteil mit einem anderen Material verbinden lassen soll, gibt es 3 Faktoren zu berücksichtigen, ob diese Verbindung erfolgreich ist.
Fällt einer dieser Faktoren weg, so ist die gesamte Verbindung instabiel und lässt sich nur mit erweiterten Verfahren konstruieren. Was es in Bezug auf die Faktoren zu berücksichtigen gibt, ist im Folgenden aufgeschlüsselt.
Das Substrat bestimmt die chemischen und physikalischen Eigenschaften, die den Haftaufbau beeinflussen:
Chemische Zusammensetzung (polar/unpolar)
Molekularstruktur (z. B. amorph vs. teilkristallin)
Wärmeausdehnung, Flexibilität
Weichmachergehalt / Additive / Füllstoffe
Diese Faktoren wirken sich auf die Oberflächenenergie und damit auf die Benetzbarkeit des Klebstoffs aus.
Das Substrat legt also den Grundcharakter der Haftung fest – was grundsätzlich möglich oder schwierig ist.
Die tatsächliche äußere Schicht des Substrats, die mit der dem Klebstoff in Kontakt kommt.
Selbst wenn das Substrat theoretisch „gut klebbar“ ist, entscheidet die Beschaffenheit der Oberfläche darüber, wie gut die Adhäsion tatsächlich aufgebaut werden kann.
Darauf können verschidene Einflüsse wirken – positiv oder negativ.
Beispielweise ändert sich die Materialoberfläche sobald ein material lackiert ist.
Weitere Einflussfaktoren können sein:
Die Oberflächenenergie eines Materials beschreibt, wie stark eine Oberfläche dazu neigt,
mit anderen Stoffen zu interagieren (z. B. Flüssigkeiten, Klebstoffen).
Je höher die Oberflächenenergie, desto „benetzbarer“ ist sie – also desto leichter kann sich ein Klebstoff gleichmäßig ausbreiten und eine stabile Adhäsion aufbauen.
Faustregel:
Nur wenn die Oberflächenenergie des Substrats höher ist als die Oberflächenspannung des Klebstoffs, kann der Klebstoff gut „anfließen“. Dementsprechend gilt eine gute Benetzung, wa szu einer starken Adhäsion führt.
In der Praxis bedeutet das:
Bei hochenergetischen Materialien (ab ca. 38 mN/m) „fließt“ der Kleberfilm gut an ? starker Verbund.
Bei niedrigenergetischen Materialien (unter ca. 37 mN/m) „perlt“ der Klebstoff eher ab ? schwacher Verbund.
| Material | Abkürzung | mN/m | |
| Polytetrafluorethylen | PTFE | 18 | |
| Silikon | SI | 24 | |
| Polyvinylfluorid | PVF | 25 | |
| Naturkautschuk | NR | 25 | |
| Butylkautschuk | BR | 27 | |
| Polypropylen | PP | 29 | |
| Polyethylen | PE | 31 | |
| Polyester | PBT | 32 | |
| Acrylnitril-Butadien-Styrol | ABS | 35 | |
| Polyamid | PA | <36 | |
| Polymethylmetacylat | PMMA | <36 | |
| Epoxy | EP | <36 | |
| Polyacetat | POM | <36 | |
| Polyvinylalkohol | PVA | 37 | |
| Material | Abkürzung | mN/m | |
| Polystyrol | PS | 38 | |
| PS-Phemoloxid | PSPO | 38 | |
| Polychloroprene | CR | 38 | |
| Polyvinylchlorid | PVC | 39 | |
| Celluloseazatat | CA | 39 | |
| Polyester | PET | 41 | |
| Polyimid | PI | 41 | |
| Phenolharz | PF | 42 | |
| Polyurethan | PUR | 43 | |
| Polyethylenterephtalat | PETP | 43 | |
| Polyamid 6.6 | PA | 43 | |
| Unges. Polyester | UP | 43 | |
| Polycarbonat | PC | 46 | |
| Polyphenylenoxid | PPO | 47 | |
| Styrol Butadien Rubber | SBR | 48 | |
| Polyethersulfon | PES | 50 | |
| Blei | PB | 450 | |
| Aluminium | AL | 840 | |
| Kupfer | CU | 1100 | |
| Eisen | Fe | 2030 | |
In Entwicklungsprojekten wird häufig viel Zeit auf die Auswahl des Klebstoffs verwendet – während der Untergrund unverändert bleibt.
Dieser Fokus ist strategisch falsch und verursacht versteckte Kosten an drei Stellen:
| Nacharbeit & Reklamation Fehlhaft verklebte Bauteile müssen nachgearbeitet oder ersetzt werden, dies ist oft erst spät im Prozess sichtbar. | Prozessunsicherheit als Risikofaktor Eine Verklebung, die nur „unter den besten Vorraussetzungen“ hält, ist in der Serie ein Kostenrisiko. | Fehlentscheidungen im Materialkauf Wenn Serienwerkstoffe gewählt werden, ohne deren Klebbarkeit zu überprüfen, sind später teure Änderungen unvermeidlich. |
Die technisch korrekte Reihenfolge lautet daher nicht: „Welcher Klebstoff passt zu meinem Bauteil?“ sondern:
| 1. Untergrund klassifizieren | 2. Klebstoffsystem auswählen | 3. Prozess definieren |
Diese Reihenfolge minimiert Projektlaufzeiten, Validierungsschleifen und Qualitätsschwankungen.
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